Zukerman, es ist ein Staudamm

Staudamm Türkei
Staudamm Türkei
Lieber Zukerman,

Vielen Dank für deine Email und das Foto im Anhang. Dein linker Arm. Du hast bloß vergessen, den Maßstab dazu zu schreiben. Den Leberfleck mit den herauswuchernden schwarzen Haaren hättest du außerdem mal photoshoppen können. Sieht aus wie ein Maulwurfshügel, aus dem die Teile eines IKEA-Schlafzimmers wachsen und der Leberfleck wird am Ende nichts anderes sein, als der Frottee-Bettvorleger. Wer vermutet schon einen Leberfleck hinter oder vielmehr unter einem Bettvorleger? War das der Grund, warum deine Email in meinem Posteingang als „Spam“ markiert wurde? Perfide Katalogwerbung?

Mmhh ne. Wenn ich deine Nachricht überfliege, durch deinen Satzbau wie Hamlet durch seine fünf Akte stolpere, zähle ich 8x das Wort „Aufguss“. Ich weiß, du meinst die Sauna, aber der Emailserver wusste das nicht. Woher auch? Welcher Kacknerd, der es dem Server hätte beibringen können, geht schon in die Sauna. In Istanbul hatte ich mir noch vorgenommen, ein Hamam zu besuchen, war dann doch bloß beim Barbier. Tripadvisor hatte mich vom Hamam abgebracht. „Mangelnde Hygiene“, „Schimmel so ekelhaft wie die schönste Kuchenglasur“, beklagten die europäischen Touristen ausnahmslos. Okay, es waren alles Deutsche. Maike, Florian etc. Warum hat dein Arm eigentlich noch keinen Eintrag auf Tripadvisor? Dein langer Arm. „Steady free Wifi“, „amazing roof bar“, „it wasn’t until 3 taxi drivers later that I was able to find it“. Nur so eine Idee.

Wenn du schreibst, dass die Saunaaufgüsse dich mehrheitlich enttäuschten und enttäuschen, bin ich ganz bei dir. Über „Passionsblume“ hätte ich mich genauso geärgert. Wenn ich Blumen möchte, gehe ich zum Floristen oder auf den Friedhof, aber nicht nackig in die Sauna. Dass die Saunameisterin euch dazu noch eine Kamillenblüte in die Hand gab, ist nichts als eine kümmerliche Eventisierung. Zukerman, du weißt es besser. Lass dich nicht ärgern, geh halt in die Trockensauna.

Was meine Reise betrifft, so befinde ich mich zur Zeit in Birecik. Hier, bei den Kurden, werden Staudämme und Wasserkraftwerke gebaut, als plante man einen riesigen Freizeitpark.
Ich mag mir das bloß einbilden, aber als ich gestern nach Birecik lief, verliebte ich mich in ein Mädchen mit azurblauen Augen. Ich heirate sie und beziehe das Haus der Familie. Die Dorfbewohner behandeln mich mit Respekt und ich erfreue mich am einfachen Landleben und der Fruchtfolge. Die Jahre vergehen. Ich werde Vater von vier Kindern. Mein Schwiegervater stirbt und vererbt mir den Hof. Dann, eines Tages, bricht der Staudamm, mein Vieh ertrinkt und das Haus fällt zusammen. Es gelingt mir Büsra und die Kinder zu retten, doch das kleinste, Metin, wird vom Strom fortgerissen. Der älteste Sohn, Ümit, taucht hinterher und nicht wieder auf. Ein großer Baum wird angeschwemmt und reißt Büsra und das letzte verbliebene Kind mit sich. Schließlich werde auch ich von einem Wirbel erfasst, unter die Wasseroberfläche gezogen und verliere das Bewusstsein.
Als ich wieder aufwache, fragt eine Stimme »Wo bist du gewesen? Ich habe fast eine halbe Stunde lang auf dich gewartet!«. Neben mir steht ein Betonmischer, der sich ohne Ladung dreht, ein Salamander schaut mich von einem Felsen aus an. Ich habe Durst.

Zukerman, was hat das zu bedeuten?

Yours,
Meter