im Infinity Pool in Istanbul

Es stimmt zwar nicht, aber als ich dem kurdischen Hotelportier sagte, ich sei in Istanbul, um den Völkermord an den Armeniern zu rächen und ihn fragte, merhaba, ob auch seine Familie damals Schuld auf sich geladen hätte, versuchte er mich brutal in der Fahrstuhltür einzuklemmen, als wir in die zweite Etage fuhren, wo sich für fünf Nächte mein Zimmer befand. Majestätische Sicht auf den Bosporus:

Sicht vom Stadtteil Fatih, gegenüber Beyoglu

Nach einer 14 Stunden andauernden Fahrt war ich endlich in Istanbul angekommen. Am späten Abend war ich in Sofia losgefahren und hatte über die Nacht im Bus kein Auge zugemacht, nachdem ich gesehen hatte, wie der Busfahrer selbst mit Sekundenschlaf zu kämpfen gehabt hatte. Kannst du den Kampf gegen den Sekundenschlaf überhaupt gewinnen? Wie erholt bist du danach wirklich und träumst du etwas? Ich bin fest davon überzeugt, dass du abendfüllende Sequenzen, ganze Mahabaratas träumst, die du direkt nach dem Aufwachen wieder vergessen hast. In meinen Träumen bin ich längst ein alter, ausgeträumter Mann.

Ich verbrachte die meiste Zeit im Hotel und begnügte mich damit, den Reiseführer über Istanbul zu lesen und auf Google Streetview durch die Straßen zu zoomen. Der auf dem Dach gelegene Whirlpool und der „Infinity Pool“, der in der auf Deutsch übersetzten Infobroschüre als „Uneindlichkeitsschwimmbecken“ beworben wurde, gaben einem alles was man wollte. Meine Badehose hatte ich zuvor jedoch zu meinem Ärger im Budapester Heilbad Széchenyi vergessen, sodaß mir die Wonnen der Whirls und Unendlichkeiten zuerst verwehrt blieben, sofern ich im Hotel nicht eine Badehose für 60 Türkische Lira kaufen wollte. Wollte ich nicht.
Im Whirlpool fiel es ohnehin nicht auf, wenn ich inmitten der Wirbel und Strudel nackig im Becken saß, während am Himmel die Möwen krächzten oder sich Gänse für den Flug nach Europa trafen. Ich musste nur rechtzeitig wieder den Knopf für die Wirbeldüsen betätigen, damit ich nicht unvermittelt meine Nacktheit offenbarte, während die Kinder der amerikanischen Familie aus „Philly“ mit im Whirlpool saßen. Holy Shit.

Frei herumlaufend, der mächtige Hahn fehlt auf dem Bild

Gelegentlich dachte ich noch an den Waliser und dessen Empfehlung nach Ephesos zu gehen, aber verwarf dies schnell wieder. Die Fahrt nach Istanbul war Anstrengung genug gewesen und ich war froh, einige Tage am selben Ort bleiben zu können, auszufransen und sich hirnlos treiben lassen, gleich einer Qualle im unendlichen Pazifik.

Meter Mütze

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Meter Mütze

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